Gedanken

Auf dieser Seite will ich einige Gedanken veröffentlichen, die nicht unbedingt einen Zusammenhang zum Tagesgeschehen in Magdalena haben. Wenn ihr also ein bisschen Zeit im Gepäck habt und diese dem Nachdenken widmen wollt, könnt ihr euch hier mal ein Bild davon machen, was mir so im Kopf rumspukt :D

Kommentare erwünscht.

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Zion aus Zement.

 

Wer seid ihr?

Willenlos durch die Häuserschluchten geschwemmt, gescheucht, geschoben.

Zum Schwarm verschmolzene schlaffe Glieder

Mochten einst Kraft gekannt haben,

Vor vergesslicher Ewigkeit.

 

Wer seid ihr?

Abertausend blinkende Augen in ferner Schwärze,

fallende Sterne – Schwärme.

Vergitterte Fenster, dahinter, darunter, daneben,

da überlebt so mancher lebensmüde Traum

von Seele und Selbst.

 

Wer seid ihr?

Zehn hoch zehn zementierte Waben,

aufgestockt zum Himmel,

Geist und Gebein trägt träge die tonnenschwere Last.

Einzig das ferne, verrußte Blau erzählt noch

Von leichterem, lichterem Leben.

 

Wer seid ihr?

Verklingende Stimmen im Alltagsgebrüll.

Verschwimmende Farbkleckse im graumelierten Monoton.

Erstickender Hauch, versterbendes Verlangen nach Freiheit.

Verdeckend, Verdrecken den letzten Schein.

 

Wer bist du?

Wer willst du, was wirst du sein?

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Reise durchs Reisreich.

 

140, 160, 180 km/h – Zeit ist Geld.

140, 160, 180 cm – an meinem Ohr vorbei fliegt die Welt

Und allerlei Lastwägen, Busse, Wasserbüffel.

 

Die Gegenspur ist frei – war sie ja in der letzten Kurve auch schon.

Mit der Hupe beherrscht der Fahrer Verkehr

Und Fliegkraft – nur Schreiben und Atmen fällt mir schwer.

 

Es scheint: wir fliegen.

Nur ab und an streifen die Reifen den Teer –

Mal 2, mal 3, je nachdem, wie wir

In der Zeit und in der Kurve liegen.

 

Auf das Gaspedal, als wäre es ein wehrloses Tier

Tritt der furchtlose Fahrer ein, wie im Wahn.

Neben dieser Amokfahrt hier,

wirkt jede Achterbahn,

wie ein Spaziergang mit Oma, Sonntags um vier.

 

Eine Stuntshow, die samt stabiler Schleudersitze –

Man macht hier besser keine Witze –

Auch Airbag und Beckengurt entbehrt.

Meine Rückenlehne eine Steißbeinstütze.

 

Mensch schützt Mensch anstandslos

In diesem gemütlich gefüllten Gefährt.

Meine Knautschzone sitzt auf meinem Schoß.

 

Und während ich so gebannt nach vorne schaue, kommt es mir,

Kein Jogaexzess brächte mich tiefer ins Jetzt und Hier.

Keine langatmige Grabesrede machte mir mehr bewusst:

Unser Dasein auf Erden ist endlich.

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Ein Feuer I

 

Ein Feuer,

das grüne Flammen wirft, blaue, rote, gelbe,

wie beim Martinsumzug.

Zitterndes Fundament einer Rauchsäule,

grau, wie nach der dreizigsten missglückten Papstwahl.

Hält den Tempel dieser Welt,

brennt Löcher in den endlosen Teppich

aus Zerbrochenem, Gelehrtem, Verworfenem.

Brennt Löcher in die Erde.

Brennt Löcher in mein Herz.

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Ein Feuer II

 

Ein Feuer,

so klein, so lichterloh, so rein.

Ungesehen und doch seines Schöpfers ganzer Stolz,

wie die Blumen auf den Feldern,

bevor Maschinen die Ernte einfahren.

Ich bin hier und woanders zugleich,

überall dort, wo jetzt ein Lichtlein brennt

und in den Augen mancher Menschen glitzern –

vielleicht in mancher Seele, wie in meiner.

Die zaghafte Flamme zittert

Und mit ihr wiege ich und jage durch Raum und Zeit –

Die Unendlichkeit einer Sekunde.

Ein Glimmen, ein Flackern im warmen Nachtwind

Brennt Löcher in meinen Verstand.

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Sta Rosa.

 

Wie können die dort fahren,

mit ihren großen, schweren Wägen flüsterleise vorwärtsdrücken,

vorbei an allem, was da sonst so rostvoll klappert?

Klimatisierte Blicke durch düstere Scheiben

auf das Stocken und Treiben der Anderen.

 

Wie können die dort wohnen,

hinter Mauern, Draht und Stacheln, Schnellfeuerwaffen verborgen?

Wunderwelten der Auserwählten;

Wollen unter sich sein, sicher sein;

Außer Sicht sein sollen die Wellblechdächer der Anderen.

 

Wie könnt ihr dort leben?

Inmitten von Cafes und Kunstrasen,

wo anderenorts einsam Karabaos grasen?

Securityguards, wie dort Streefoodverkäufer.

Die Sari-sari Shops hier heißen Starbucks.

 

Wahrhaftig eine westliche Welt.

Wohlhabend – was wohl jeder erkennt,

der den Blick niemals wendet

und sich im Dämmerlicht geblendet,

beide Augen zuhält.

 

Wenn euch dieses Leben gefällt, wie kann ich da urteilen.

Wünsche doch ebenso, schnell zu fahren, bequem zu sitzen, warm zu duschen, weich zu liegen.

Wie ungern teile ich mein eigen Brot.

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Die Menschen uns das Meer

Es gab eine Zeit, zu der die Menschen noch in großen Stämmen über die Kontinente dieser Erde zogen. Einer dieser Stämme erreichte bei seiner ewigen Wanderung schließlich das Meer. Die Menschen beschlossen sogleich, begeistert von der Fülle, die ihnen das Meer bot, sich niederzulassen und eine Siedlung zu gründen. Ein jeder von ihnen war daraufhin bemüht, seine Behausung schnellstmöglich und nächstmöglich zum Ufer zu errichten. Einer jedoch, ein alter Mann, ließ sich von dem hektischen Treiben nicht aus der Ruhe bringen. Schweigend sah er aufs Meer hinaus, bis er plötzlich bemerkte, dass das stetig steigende Wasser begann, seine Füße zu umspielen. Die Menschen hatten das Meer zu Zeiten der Ebbe erreicht. Und auf die Ebbe folgt unweigerlich die Flut. Das Wasser trat über die Ufer und schwemmte die Behausungen der Menschen hinfort. Während nun der ganze Stamm seinen Verlust beklagt, hatte der alte Mann nur einige Schritte rückwärts gemacht und auf den Hochpunkt der Flut gewartet. Seelenruhig errichtete er dann seine Hütte.

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Der Gefangene

Ein Forscher wurde einmal bei einer Urwaldexpedition von einer Gruppe Ureinwohner gefangengenommen. Die Wilden brachten den Fremden zu ihrem Ältesten, der deutlich machte, dass der Forscher in stammeseigenes Territorium vorgedrungen war und dafür bestraft werden müsse. Die Wilden banden den Fremden also im Urwald an einem Baum fest. Von seinem Gefängnis aus konnte der Forscher sowohl einen Beerenstrauch erreichen, als auch einen Bach mit frischem Wasser. An Nahrung fehlte es ihm nicht, aber wann immer er sich hinlegte um zu schlafen, kamen die Tiere des Dschungels und störten seine Ruhe. Eine Zeit lang, ließ der Älteste verlauten, müsse der Gefangene dort angebunden sein, um für seine Untat zu büßen. Die Wächter des Mannes machten bald die Beobachtung, dass der Forscher jeden Morgen gut gelaunt aufwachte und den ganzen Tag nichts tat, als froh und hoffnungsvoll in die Ferne zu schauen. Dies teilten sie auch dem Ältesten mit, als dieser sich nach dem Befinden des Gefangenen erkundigte. Der Älteste lauschte dem Bericht aufmerksam und befahl schließlich:

„Sagt dem Mann besser, dass es 99 Tage sind, die er in Gefangenschaft verbringen muss.“

„Aber Ältester, willst du ihn denn zermürben?“ fragten die Wächter verwundert.

Der Älteste erwiederte: „Wenn wir ihm nichts sagen, so wird er jetzt glücklich sein, aber am 98. Tag seiner Gefangenschaft wird er sich schließlich in sein Messer stürzen. Stellen wir ihm aber die 99 Tage in Aussicht, und bringt er sich nicht noch am heutigen Tag um, so wird er am Ende seiner Gefangenschaft als erfahrener Mann nach Hause gehen.“

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Der Berg

„Warum mach ich das bloß?“ schnauft der kleinste von ihnen, den Blick auf seine Stiefel gebannt, als wolle er sie dadurch von der Bewegung abbringen, der treibenden, dem ständigen Greifen nach dem nächsten Stück Boden, dem Drücken und Drängen über Vorsprünge und Wurzelwerk hinweg, den Anstieg meisternd.

Es ist, als suche er nach dieser Kraft auf seinen eisenbeschlagenen Stiefelspitzen, dem Mechanismus Einhalt zu gebieten, dem sein Schuhwerk gehorcht seit ihrem Aufbruch.

Die Bäume, die ihm ringsum begegnen, erschienen ihm uniform in einer abweisenden Haltung, als könne er spüren, wie ihre stummen Blicke ihn mieden, den Boden ihm vorzogen, wie man es gewohnt war von breiten Gehwegen großer Städte. Die Landschaft ist eintönig, wie seine Gedanken.

„Warum,“ scheint ihn auch die Wolke zu fragen am ewig grauen Himmel, „Warum hast du mich nicht weiter vom Tale betrachtet?“

„Ist es das wert,“ zweifelt der nadelgespickte Boden, „auf mir zu laufen, nur um desselben willen?“

„Was hätte ich nicht alles tun können, an diesem schönen Tag?“

„Was nützt es mir, diese Wiese dort zu sehen, in ihrer Unebenheit gerade recht für das Vieh und für dieses zu spärlich bewachsen. Was nützt es, diesen Stein dort zu treten, der selbst schon millionenfach gebrochen, nur ein Schatten seiner selbst.“

Auch die Bäume sind, bei allem Anmut, die einem Gewächs zu Teil sein kann, im Tal bei weitem schöner als die verkrüppelten Kiefern, die sich hier oben mit letzter Kraft in den Fels krallen.

„Ich vergeude meine Zeit.“

„Nichts tust du,“ ruft sein Begleiter, nachdem er dies vernimmt. „Schau! Dort oben werden wir stehen, wo der Fels die Wolken zerbricht und dem Himmel den Kampf ansagt. Bald sind wir da.“

Der zweite im Bunde, deutlich größer und kräftiger gebaut als sein Gefährte, sieht mit glänzenden Augen nach oben. Der Berg steht vor ihm wie ein mächtiger Tempel, älter als die Zeit, widerstandsfähiger als jede Feste, mächtiger als alles, was der Mensch je geschaffen hat. Wie viele mussten schon verzweifelt sein, wo er nun munter vorübergeht? Wie viele mussten sich am Fuße dessen die Zähne zerbissen haben, dessen Kopf er heute erklimmen wird. Nur ungern wendet der Stämmige seinen Blick vom Gipfel ab, um seinen Füßen einen Weg zu finden, spürt er doch jedes Mal aufs Neue einen warmen Schauer in seinen Gliedmaßen. Das muss eine Kampfansage an den Berg sein und ihm wird klar, „wenn’s nach mir ginge, wären wir schon da.“

Und vor Freude, als hätte er die Welt bereits in ihrer Gesamtheit niedergestreckt, lässt er seinen Blick schweifen.

Ist es heute ein trüber Tag, so ist er trüber im Osten, im Tal, wo ihre Reise am Morgen begann. So weit weg ist es nun schon und klein und duster. Die Häuser kann er nicht mehr erkennen. Alltag und Altbekanntes sind nur noch ein Klecks grauer Farbe, wie der letzte, der noch im Farbtiegel haftet, wenn das Bild schon gemalt und der Pinsel achtlos beiseite geworfen worden war.

„Wir haben die Hälfte zum Himmel erklommen und dreiviertel zum Gipfel. Von großem Fleiß kommt großer Preis. Lasst uns nicht müde werden.“

„Habe ich je so was Schönes gesehen?“ frohlockt der Dritte, ein schmächtiger Junger, in dem Alter, in dem Schönheit noch nicht gekauft werden muss.

„Der Gipfel?“, „der Himmel?“, „der Berg?“ fragen seine Gefährten.

„Nein, die sehe ich doch schon mein Leben lang vom Tal aus. Seht diesen Stein!“

„Ist es ein Edelstein? Zeig her!“ beschwört ihn sein großer Begleiter.

„Nein, das nicht. Er ist so uneben, so hart, so schroff und passt doch perfekt in meine Hand, als sei er ihr lang verlorenes Gegenstück. Er ist grau und in den dumpfen Farben der Erde bemalt, und doch filigran und detailreich verziert, wie es nur ein Meister vermochte. Es ist ein Schmuckstück allemal. Nie hätte ich ihn gefunden, wenn nicht auf diesem Pfad in dieser Stunde. Heute ist ein guter Tag.“

„Es ist wirklich ein guter Tag. Ich werde den höchsten Punkt der Gipfels an mich nehmen und mit ihm die ganze Macht des Berges,“ fügt der Große hinzu.

Und so steigen sie weiter, lassen den Wald hinter sich, wie einen Mantel, den man sich nach einem ausgiebigen Spaziergang schwerfällig vom Körper streift. Da sehen sie den Gipfel in seiner vollen Pracht. Er scheint zum Greifen nah und binnen weniger Schritte zu erreichen und entfernt sich doch mit jedem dieser Schritte ein Stück weiter. Es ist ein trügerisches Spiel.

„Eine Pause wäre recht, meine Herren,“ sagt der Kleine schwer atmend.

„Halt durch, bald ist es geschafft, der Gipfel ist nah!“, fällt der Stämmige ihm ins Wort, seine Augen sind erneut gen Himmel gerichtet. Während dem Kleinen dies als Grund genügt, setzt sich der Junge unbeirrt, als habe er seine Begleiter gar nicht gehört. Dann überlegt sich‘s schnell und erhebt sich wieder. „Die Aussicht von unten ist nicht besser als von oben.“

„Wie muss sie dann erst dort oben sein,“ ruft der Stämmige.

Damit ziehen die drei weiter. Der Pfad wird steiler, ihr Atem schneller, ihre Gedanken enger. Eine weitere Pause gibt es nicht, denn obgleich jeder mit sich selbst ringt, will keiner seine Schwäche vor den Begleitern entblößen.

Sie sind bald schon so weit gekommen, dass sie vom Weg aufsehen und die Spitze des Berges vor sich erblicken. Diese erscheint wie ein scharfer Schnitt zwischen Fels und Himmel.

Mit einem Mal reißt der Schnitt auf und gibt ein Bild frei, das zwischen Stein und Wolkendach eingespannt zu sein scheint. Vom massigen Rücken des Berges vor dem Tal versteckt, offenbart sich nun, was der Koloss aus Erde und Stein so eisern bewacht, als dürften es nur die tapfersten Menschen zu Gesicht bekommen.

Ein Meer, wüste Wogen aus Fels, brandet an die dem Tal abgewandte Seite des Berges. Ein Gebirge bis zum Horizont, weiter als je ein Mensch gehen kann, ein Wall aus Bergen, die diesen Vordersten bei Weitem überragen, ihn gleich mehrmals schlucken könnten, die jedoch so weit entfernt sind, dass sie nur von einer Fingerkuppe verdeckt werden können.

Wie am Fuße einer in der Ferne steigenden Tribüne stehen die drei Gefährten nun am untersten Parkett einer im toben verharrenden Zuschauermenge, deren anmutige Verrenkungen der Ausgelassenheit für die Ewigkeit in Fels gebannt sind. In Ehrfurcht vor dem Raubtiermaul, das weite Reihen reißender Zähne ziert, harren die drei unfähig jeglicher Bewegung.

Der Stämmige war der erste, der der Gewalt in Worten Ausdruck sucht: „Ich träumte viele Nächte, wie ich an der Spitze dieses Berges stehen würde und steh jetzt noch tiefer im Tal als je zuvor. Das Monster, das zu besiegen ich glaubte, hat mich erschlagen. Wie weit ich auch gehe, wie viele Höhen ich erklimmen werde, dort oben wird mich doch nur eine Aussicht auf viele weitere Gipfel erwarten. Wäre ich im Tal geblieben, hätte den Berg als unüberwindbare Grenze akzeptiert, so wäre ich jetzt wenigstens zufrieden.“

„Und doch bist du reicher als alle, die im Tal geblieben sind. Wir besuchten diesen Ort und sahen diese Aussicht. Die anderen können unseren Erfolg bestaunen, sie können uns beneiden, aber sie können uns diesen Gipfel nie nehmen,“ wendet der Kleine ein.

Und so kehren der Große und der Kleine vom Ausblick ab und richten ihr Augenmerk wieder aufs Tal, aus dem sie gekommen sind. Nur der Junge will sich von dem Anblick nicht lösen.

„Wie reich ich mich schon glaubte, als ich den ersten Fuß an diesen Berg setzte, einfach die Wahl zu haben, weiterzugehen oder umzukehren. Wenn mich diese Entscheidung schon reich machte, wie wohlhabend bin ich dann jetzt mit Millionen neuen Möglichkeiten, meinen Weg fortzusetzen? Ich darf mir den schönsten Berg auswählen, seinen Gipfel erklimmen und Nach dem nächst schönsten streben. Ich kann entdecken, nach was es mir beliebt, und sein, was ich immer sein wollte.“ Die Augen des Jungen glänzen.

Er spürt dann schon die kräftige Hand seines großen Begleiters auf der Schulter.

„Das alles können wir tun, doch nicht mehr heute. Gehen wir ins Tal, um dort unseren nächsten Aufstieg ins Visier nehmen zu können.“

Naiv wie er ist, wendet sich schließlich auch der Junge zum Gehen. Und je weiter sie ins Tal zurückkommen, desto ferner scheint alles Gesehene, Gesagte und Geplante.

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Der hellste Stern (09.09.2014)

Vor nicht allzu langer Zeit war die Welt noch von Wäldern bedeckt, deren Bäume so hoch und deren Blattwerk so dicht war, dass von ihren Wurzeln aus, der Himmel niemals zu sehen war. Die Menschenvölker, die in diesen Wäldern lebten, kannten daher nur das Licht als solches, nicht aber den Anblick der Gestirne. Eines Tages kam durch einen dieser Wälder zu einem, der dort beheimateten Völker, ein Wanderer, Rast suchend nach langer Reise. Das Waldvolk nahm den Fremden zu sich auf, der wiederum diese Gastfreundschaft mit seinen Erzählungen aus fernen Ländern belohnte. Der abends am Feuer wusste der Wanderer von wunderbaren Kuriositäten zu berichten. Die Fantastischste aller derer war zweifellos die Legende von der Sonne. Der Reisende nannte die Sonne das Herrlichste, das er jemals zu Gesicht bekommen durfte – habe er auch viel gesehen. Beschreiben ließ sich diese Sonne jedoch nur mit drei Eigenschaften.

Sie weist jedem den Weg, welchen auch immer er geht.

Sie wärmt jeden und gibt jedem Menschen Kraft, wozu auch immer er diese nutzen will.

Zuletzt offenbart sie sich jedem und ist jedem nahe.

Am besten könne man sie erkennen, so der Fremde, wenn man den Wald verließe und in die Freiheit trat. Die Bewohner des Waldes konnten sich niemanden so Großartigen, wie die Sonne, vorstellen, sodass die einen in Staunen verfielen, während andere den Fremden schnellhin als Märchenerzähler beschimpften. Einige wiederrum waren so begeistert von dieser Vorstellung, dass sie sich schnell hin aufmachten, diese Sonne zu suchen. Unter diesen war auch ein junger Mann. Voller Vorfreude wanderte er Tag und Nacht, bis er den Rand des Waldes erreichte. Dort stand er dann und blickte sich erwartungsvoll um.

Wo war die Sonne, die sich jedem offenbarende? Sie war weder rechts noch links und sicher nicht vor ihm. Wollte sie ihm denn nicht nahe sein?

Er konnte die Wärme fühlen, die der Reisende ihm versprochen hatte, und sein Weg war ihm ebenso klar vor Augen. Die Sonne war zweifellos da, doch ihm zeigen wollte sie sich nicht. Etwas enttäuscht fasste der Mann den Entschluss, die Sonne zu suchen. So lief er weiter auf dem Weg, der ihm gewiesen wurde.

Nach einiger Zeit vergeblichen Suchens plagte den Mann eine Sorge. Momentan war es ihm warm und behaglich, doch was, wenn sich das änderte? Arg viel Verlass schien auf diese Sonne ja nicht zu sein. So entschied er sich kurzer Hand sich das Feuer zu nutzen zu machen, auf dass es ihn wärmte, sollte die Wärme der Sonne versiegen. Mit einer Fackel in der Hand wanderte er weiter. Die Zweifel jedoch wuchsen.

Was ist mit dem Weg, den ich glaube, geführt zu werden? Ist diese Sonne anders, als ich sie mir vorstelle, oder gibt es sie gar überhaupt nicht? ist der Weg den ich gehe dann überhaupt noch der richtige? Möglicherweise bilde ich mir ja nur ein, mein Pfad sei ein Gewiesener, oder die Zeichen die ich meine zu sehen sind eine Täuschung? Laufe ich womöglich nichtsahnend in mein eigenes Verderben?

Erschrocken blieb der Mann stehen. An ein Weitergehen unter diesen Umständen war nicht zu denken, so ließ er sich nieder, baute sich eine Hütte, in die er sich angsterfüllt kauerte, und wartete. Mit der Zeit gewöhnte sich der Mann an das schummrige Licht des Feuers und seine Behausung begann ihm zu behagen. Er fühlte sich wohl in seiner kleinen, begrenzten Welt und begann sein Ziel aus den Augen zu verlieren. Er erinnerte sich noch an die Legende des Wanderers, aber er sah keinen Grund mehr, nach der Sonne zu suchen. Wenn es sie denn doch nicht gäbe, dann wäre doch auch alles Suchen umsonst. Nur manchmal verbrachte der Mann einige Zeit im Freien und genoss das Licht des Tags. Und so wie der Mann einmal dort neben seiner Hütte gelegen hatte, war sein Blick gen Himmel gewandt. So sah er ihn zum ersten Mal, den hellsten Stern – die Sonne. Und mit einem Mal sah er auch den Weg und spürte wieder die Wärme. Unendliche Erleichterung überkam ihn, denn er wusste nun um die Nähe der Sonne.

Die Moral der Geschichte: Verlasse dann und wann deine Hütte

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