Archive für den Monat: September 2014

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So REISt man uns hier aus dem Schlaf.

Um 6 Uhr, frisch und fröhlich von Nachbar's Hahn wachgesungen, wird das Frühstück serviert. Es gibt natürlich Reis, das weiße Gold, aus dem nicht nur die philippinische Ernährungspyramide gefertigt wurde, sondern vielmehr das ganze Ägypten der philippinischen Kochkunst. Nach zwei Wochen kann ich sagen: Man gewöhnt sich dran. Auch Fleisch und Fisch schluckt sich leichter mit der Zeit. Wenn es an Feiertagen dann auch noch Obst gibt (frische Mangos, Bananen, Papayas), dann fühlt man sich im Grunde schon fast wie im Himmel, und eine Banalität wie Honig, den ich mir in einem kleinen Glas aus DE mitgenommen hatte, ist plötzlich der großte Schatz auf Erden.

Manchmal muss man etwas vermissen, um zu lernen, was man daran hat.

Da das schönheitsideal hierzulande eine helle Hautfarbe miteinschließt, gibt es auf den Philippinen das sog. Body Bleaching als pendant zum Mitteleuropäischen Sunnenstudio. Dazu, woher dieses Verlangen, seine Haut künstlich zu bleichen, kommt, kann ich noch keine genaue Diagnose erstellen. Vermutlich ist der übermäßige Konsum japanischer Zeichentrickserien seit frühester Kindheit mit im Spiel.

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Folgende Geschichte ist der nüchternste Tatsachenbericht, den ich fähig war zu schreiben, über eine Begegnung der besonderen Art:

Wie ein goldener Schleier legt sich die warme Morgensonne auf die Dachterrasse der Mensa, unseren Gemeindesaal. Der kühle Morgenwind (Dein bester Freund in einem tropischen Land) umspielt die Sitzenden. Die Gespräche der Anwesenden (Auf Tagalog – sprich eine beliebige Aneinanderreihung von ay-oy-ng Lauten) nehme ich nur dumpf wahr, wie das Heulen einer Autobahn in weiter Ferne. Jemand anderem gebührt meine Aufmerksamkeit: Ich spüre, dass er da ist; Jesus. Erst ganz sanft in meinem Brustkorb, mich wärmend von innen, mich von jeglicher Anspannung befreiend, meine Gedanken von jedem Zweifel reinigend. Dann ist er auch um mich herum, in allem, was ich sehe und wahrnehme. Die Welt erstrahlt in einer Einheit und Freundlichkeit. Ich sonne mich in seinem Licht.

Gestern noch hätte ich noch gelacht, wenn mir jemand von einem derartigen Erlebnis erzählt hätte. Alles reine Einbildung, hätte ich großspurig behauptet. Was hat sich seitdem verändert? Nun, ich will es so ausdrücken: Gott und ich haben in unserer Beziehung den nächsten Schritt gewagt.

Aber von vorne. Kurz nachdem ich hier auf dem Campus eingetroffen war, musste ich realisieren, dass Andachten und Gebete hier nicht nur das Fundament der Gemeinschaft, sondern auch einen erheblichen Teil des Tagesprogramms ausmachten. Ich hatte bis dato zwar durchaus einen anerzogenen Glauben gehabt, Gebete und Gottesdienst jedoch stets als ineffiziente Zeitverschwendung angesehen. Einen Gott hatte ich – irgendwie – aber keinen Gegenüber. Da ich als neuer Mitarbeiter nun auf einmal gezwungen war, drei bis vier Mal täglich an Gebeten teilzunehmen, musste ich mir umgehend eine Unterhaltungsstrategie zu Recht legen. Ich begann, während meine Kollegen auf Tagalog Glaubensinhalte durchkauten, das Johannesevangelium zu lesen.

Ein einschneidendes Erlebnis folgte, als der ortsansässige Pastor Dave uns nach einigen Tagen bat, unsere eigenen Glaubensinhalte aufzuführen, bedacht jegliche die Zusammenarbeit behindernden Ungereimtheiten von Anfang an aus dem Weg zu räumen. „Jesus is the only savior!“ hämmerte er uns unermüdlich ein, als wolle er uns irgendwelche Voodoo-geister austreiben. Wenig beeindruckt ließ ich das Gerede an mir vorüberwehen. Meine Zweifel bemerkend, warf mir der Pastor plötzlich eine Frage entgegen: „When was the time you committed yourself to the Lord?“

Überrumpelt versuchte ich eine Antwort zu formulieren, die ihm gefallen würde. Ich erklärte ihm, mit meinem Glauben sei es wie mit dem Atmen: Immer dagewesen. Keine Entscheidung. Aber schlicht überlebenswichtig.

In Wahrheit wäre mein Glauben bis dato wohl eher mit einem Hustensaft zu vergleichen gewesen: Der Placebo-effekt nicht einmal ein Geheimnis. Von der Mutter verschrieben. Genommen, um die Mutter zu beruhigen.

Zu meinem Unglück hakte der Pastor nach. Seiner Meinung nach müsse man sich Jesus wissendlich verschreiben und ich könne doch, falls ich das noch nicht getan hätte, diesen Eid jetzt auf der Stelle leisten. Auf einmal fühlte ich mich, wie an den Rand einer Klippe gedrängt. Ich wusste in diesem Moment aber noch nicht, dass diese Klippe mein Leben ist. Und der, der die haltende Hand nach mir ausstreckt, war Gott selbst. Es war mit einzig diese klar: Ich muss dieses Gebet jetzt sprechen. Sorgsam wiederholte ich jedes Wort, das der Pastor mir vorsagte. Ich achtete jedoch nicht auf den Klang der Wörter, weder auf ihre Form noch auf ihre Bedeutung. Ich tastete mich stattdessen zur innersten Seele des Gebets vor. Ich spürte das Gebet. Alles was ich war, sprach in diesem Augenblick das Bekenntnis zu Jesus.

Ich habe mich immer gefragt, warum Jesus genau 12 Männer aufgerufen, ihm nachzufolgen. In diesem Moment verstand ich, dass er im Grunde bei jedem von uns ist und uns beim Fischen zusieht, nur darauf wartend, bis wir einmal zu ihm hinüber sehen, seinen Blick zu erwiedern.

Als ich das Gebet mit einem Amen beschloss, fühlte ich mich unerklärlich frei. Es hatte sich natürlich nichts verändert, aber ich wollte jetzt, dass sich etwas verändert. Ich wollte mit Jesus sprechen. Und wann immer ich es von da an tat, wann immer ich seinen Namen rufe, steht er neben mir. Es ist kein neues Gefühl, sondern vielmehr eines, dass ich schon kannte, aber nie zuordnen konnte. Geborgenheit.

Zu diesem Ereignis gibt es auch einen Gedanken (=> Der hellste Stern)

Nach 4 Tagen harten Arbeitens, hab ich nun endlich frei und kann für Euch das Geheimnis um meinen Arbeitsplatz lüften: Magdalena das liegt so zwischen Manila und Mittelerde. Nach einigen Stunden Autofahrt durch Philippinisches Hinterland kamen wir an einem hohen, rostzerfressenen Tor an. Die Pforte bildete ein Bindungsglied zwischen zwei hohen, mit Stacheldraht gekrönten Mauern. Das Bild regte natürlich unsere bisdahin schon sehr aktive Phantasie an. WIr machten uns Vorstellungen: Müssen wir uns mit wilden Straßenkindern rumschlagen, in Wellblechhütten wohnen, uns unser Abendessen selber fangen? Haben wir ein Rad dabei, falls wir auch das neu erfinden sollen? Dann öffnet sich das Tor und mit ihm eine neue Welt. Eine Welt in Disziplin und Ordnung. Der Tag ist komplett durchgeplant, die Häuser werden Täglich geputzt (und sind unter keinen Umständen mit Schuhen zu betreten), die Menschen auch (ohne sich gewaschen zu haben bekommt keiner Abendessen). Die Jungs erfüllen gewissenhaft ihre Aufgaben, ein Mix aus Beten, Schule, Beten, Sport, Haushalt und Beten. Es ist der einzige Weg, Jungs bei der Stange zu halten, die in den zehn bis sechzehn Jahren ihres Lebens mehr Elend erdulden mussten als somancher betagte Mann. Nur noch die Narben in ihren fröhlichen Gesichtern erinnen an diese Zeit, bevor Jesus und das Community Center ihnen ein neues Leben schenkte. Auch wenn es schwer ist, sich an all das Neue zu gewöhnen (Mit jedem ungewöhnlichen Umstand, den ich durchschaue, kommen 5 neue, die mich noch viel blöder dastehen lassen), beginne ich mich langsam, ganz langsam zuhause zu fühlen.

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Früh morgens werden wir in einen Van gesetzt. Die Türen verriegeln mit einem lauten Klicken. Unser Tagesprogramm kommt mir vor, wie eine Reise durch den Märchenpark. An der Botschaft, der Kirche und dem Shoppingcenter steigen wir unter Aufsicht aus, betreten das jeweilige Gebäude durch einen Metalldetektor. Während der Fahrt wirft man nur flüchtige Blicke durch getönte Scheiben auf Obdachlose, die im Dreck leben, Häuser, die Kaninchenställen gleichen, Kinder, die auf dem Gehweg schlafen. Alles scheint so fern, bis dann ein Achtjähriger unsere Scheiben mit einem Lumpen abwischt - Der Lumpen und seine Hände sind wohl bei weitem schmutziger als die Scheibe - und uns damit eine klare Sicht auf das Elend aufzwingt. Er will auch noch zwei Pesos dafür, der Kleine, und blickt mich flehend an, als ginge es bei der Münze (die kaum mehr Wert ist als derselbe Betrag in Cent) um sein Leben. Meinem Mitleid erliegend, hole ich mein Geld hervor und werde von unserem Fahrer nur knapp zurechtgewiesen: „Don’t give him money, he’s just gonna buy drugs.“P1010156

Wir übernachten in einer kleinen Unterkunft in einer Kirche. Die Betten, die so manchem recht hart vorkämen, sind totaler Luxus. Kaum 50 Meter weg von hier, draußen auf der Straße, trennt einen alten Mann heute Nacht nicht mehr als ein Fetzen Karton von den Pflastersteinen. Ich sah ihn vorhin dort auf seinem stolzen, durchweichten Stück Pappe kauern mit blutunterlaufenen Augen ins Leere schauend, bevor mir das vergitterte Portal unserer Unterkunft vom Wachpersonal freundlich geöffnet wurde. Ich erinner mich noch an seine ledrige Haut, zäh von Knochen zu Knochen gespannt – so gefurcht, so geschunden, wie die Straße, die er sein Heim nennt. Bei diesem Gedanken an ihn, fällt mein Blick auf die Matratze, die unter meinem Bett bereitliegt, für irgendeinen Dritten.

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