
Folgende Geschichte ist der nüchternste Tatsachenbericht, den ich fähig war zu schreiben, über eine Begegnung der besonderen Art:
Wie ein goldener Schleier legt sich die warme Morgensonne auf die Dachterrasse der Mensa, unseren Gemeindesaal. Der kühle Morgenwind (Dein bester Freund in einem tropischen Land) umspielt die Sitzenden. Die Gespräche der Anwesenden (Auf Tagalog – sprich eine beliebige Aneinanderreihung von ay-oy-ng Lauten) nehme ich nur dumpf wahr, wie das Heulen einer Autobahn in weiter Ferne. Jemand anderem gebührt meine Aufmerksamkeit: Ich spüre, dass er da ist; Jesus. Erst ganz sanft in meinem Brustkorb, mich wärmend von innen, mich von jeglicher Anspannung befreiend, meine Gedanken von jedem Zweifel reinigend. Dann ist er auch um mich herum, in allem, was ich sehe und wahrnehme. Die Welt erstrahlt in einer Einheit und Freundlichkeit. Ich sonne mich in seinem Licht.
Gestern noch hätte ich noch gelacht, wenn mir jemand von einem derartigen Erlebnis erzählt hätte. Alles reine Einbildung, hätte ich großspurig behauptet. Was hat sich seitdem verändert? Nun, ich will es so ausdrücken: Gott und ich haben in unserer Beziehung den nächsten Schritt gewagt.
Aber von vorne. Kurz nachdem ich hier auf dem Campus eingetroffen war, musste ich realisieren, dass Andachten und Gebete hier nicht nur das Fundament der Gemeinschaft, sondern auch einen erheblichen Teil des Tagesprogramms ausmachten. Ich hatte bis dato zwar durchaus einen anerzogenen Glauben gehabt, Gebete und Gottesdienst jedoch stets als ineffiziente Zeitverschwendung angesehen. Einen Gott hatte ich – irgendwie – aber keinen Gegenüber. Da ich als neuer Mitarbeiter nun auf einmal gezwungen war, drei bis vier Mal täglich an Gebeten teilzunehmen, musste ich mir umgehend eine Unterhaltungsstrategie zu Recht legen. Ich begann, während meine Kollegen auf Tagalog Glaubensinhalte durchkauten, das Johannesevangelium zu lesen.
Ein einschneidendes Erlebnis folgte, als der ortsansässige Pastor Dave uns nach einigen Tagen bat, unsere eigenen Glaubensinhalte aufzuführen, bedacht jegliche die Zusammenarbeit behindernden Ungereimtheiten von Anfang an aus dem Weg zu räumen. „Jesus is the only savior!“ hämmerte er uns unermüdlich ein, als wolle er uns irgendwelche Voodoo-geister austreiben. Wenig beeindruckt ließ ich das Gerede an mir vorüberwehen. Meine Zweifel bemerkend, warf mir der Pastor plötzlich eine Frage entgegen: „When was the time you committed yourself to the Lord?“
Überrumpelt versuchte ich eine Antwort zu formulieren, die ihm gefallen würde. Ich erklärte ihm, mit meinem Glauben sei es wie mit dem Atmen: Immer dagewesen. Keine Entscheidung. Aber schlicht überlebenswichtig.
In Wahrheit wäre mein Glauben bis dato wohl eher mit einem Hustensaft zu vergleichen gewesen: Der Placebo-effekt nicht einmal ein Geheimnis. Von der Mutter verschrieben. Genommen, um die Mutter zu beruhigen.
Zu meinem Unglück hakte der Pastor nach. Seiner Meinung nach müsse man sich Jesus wissendlich verschreiben und ich könne doch, falls ich das noch nicht getan hätte, diesen Eid jetzt auf der Stelle leisten. Auf einmal fühlte ich mich, wie an den Rand einer Klippe gedrängt. Ich wusste in diesem Moment aber noch nicht, dass diese Klippe mein Leben ist. Und der, der die haltende Hand nach mir ausstreckt, war Gott selbst. Es war mit einzig diese klar: Ich muss dieses Gebet jetzt sprechen. Sorgsam wiederholte ich jedes Wort, das der Pastor mir vorsagte. Ich achtete jedoch nicht auf den Klang der Wörter, weder auf ihre Form noch auf ihre Bedeutung. Ich tastete mich stattdessen zur innersten Seele des Gebets vor. Ich spürte das Gebet. Alles was ich war, sprach in diesem Augenblick das Bekenntnis zu Jesus.
Ich habe mich immer gefragt, warum Jesus genau 12 Männer aufgerufen, ihm nachzufolgen. In diesem Moment verstand ich, dass er im Grunde bei jedem von uns ist und uns beim Fischen zusieht, nur darauf wartend, bis wir einmal zu ihm hinüber sehen, seinen Blick zu erwiedern.
Als ich das Gebet mit einem Amen beschloss, fühlte ich mich unerklärlich frei. Es hatte sich natürlich nichts verändert, aber ich wollte jetzt, dass sich etwas verändert. Ich wollte mit Jesus sprechen. Und wann immer ich es von da an tat, wann immer ich seinen Namen rufe, steht er neben mir. Es ist kein neues Gefühl, sondern vielmehr eines, dass ich schon kannte, aber nie zuordnen konnte. Geborgenheit.
Zu diesem Ereignis gibt es auch einen Gedanken (=> Der hellste Stern)